Haftungsrecht (Zahnarzt)

Urteile und Vergleiche:

An Hand der unten beschriebenen Urteile können Sie - egal ob Sie als Zahnarzt oder als Patient betroffen sind - sich darüber informieren, wie die Rechtsprechung mit den zur Entscheidung gestellten Sachverhalten umgeht und welche Schmerzensgelder ausgeurteilt werden. Voraussetzung für einen Schmerzensgeldanspruch ist immer, dass ein Behandlungsfehler für die Schmerzen bzw. für den Gesundheitsschaden ursächlich geworden ist.
Wenn ein Patient also bereits mit einem angegriffenen und schmerzenden Zahnstatus zur Behandlung geht, so muss diese Ursächlichkeit nicht zwingend angenommen werden. Auch die fehlerfreie Behandlung selbst kann Schmerzen und nachgehende Beschwerden verursachen.

Achtung: Reine Mängel der Prothetik, die nicht auf einem zahnärztlichen Behandlungsfehler beruhen, müssen innerhalb von 2 Jahren nach dem Einsetzen der Krone/Brücke/Prothese geltend gemacht und notfalls gerichtlich geltend gemacht werden. Sonst droht der Anspruch nach Werkvertragsrecht zu verjähren.
  • Nachfolgend Urteile zur Zahnbehandlung
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  • 6.165 € Zahnarzthaftung Schmerzensgeld und Rückzahlung des vollen Eigenanteils sowie anwaltliche Kostenübernahme vor der zahnärztlichen Gutachterkommission nach fehlerhafter prothetische Versorgung GKZ 66/19 außergerichtlicher Vergleich vom 29.1.2020Vertretung RA Wicher
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  • 8.000 € Zahnarzthaftung Schmerzensgeld und Rückzahlung des vollen Eigenanteils sowie anwaltliche Kostenübernahme vor der zahnärztlichen Gutachterkommission nach fehlerhafter kieferchirurgischer Zahnversorgung, insbesondere präimplantologischer Fehler GKZ 9/18 vergleichsweise Einigung im Gutachter-Termin vom 16.5.2018 Vertretung RA Wicher
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  • 3.503 € Zahnarzthaftung Schmerzensgeld und Rückzahlung des vollen Eigenanteils sowie anwaltliche Kostenübernahme mit der Haftpflichtversicherung des Zahnarztes, außergerichtlicher Vergleich vom 29.4.2020 wegen mangelhafter Zahnsanierung Vertretung RA Wicher
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10.000,00 Euro Schmerzensgeld für irrtümliche Extraktion des OK-Eckzahns 06/2018 bei einem 14-jährigen Jungen. Der Kieferorthopäde schickte dem Zahnarzt alte Röntgenbilder mit der Bitte, den Milchzahn zu extrahieren. Der Zahnarzt übersah, dass der Milchzahn bereits ausgefallen war, der bleibende Eckzahn bereits an dessen Stelle saß, und zog den neuen, gesunden Eckzahn 13. Trotz sofortiger Reimplantation und Befestigung konnte der Zahn nicht gerettet werden. Der Patient muss nun komplizierte und langwierige kieferorthopädische Behandlungen für den Lückenschluss durchmachen, der zentrale Brückenpfeilerzahn 13 ist für immer verloren.
Vergleich nur für Schmerzensgeld, materielle Schäden vorbehalten, mit den Haftpflichtversicherungen der Ärzte, Vertretung RA Herrmann

4.000,00 Euro Schmerzensgeld
10/2017:
Vergleich LG Stuttgart 15 O 220/17 bei
Extraktion eines Weisheitszahnes und Eröffnung der Kieferhöhle("Loch"), sogenannte MAV (Mund-Antrum-Verbindung): Der Kieferchirurg klärte nicht hinreichend über Risiken auf, und extrahierte beidseitig große Weisheitszähne mit stark gespreizten Wurzeln. Hierbei verursachte er eine Eröffnung der Kieferhöhle (gilt als Komplikation, nicht als Fehler). Er übersah dies jedoch, verschloss die Wunde, unterließ vorher fehlerhaft den Test mit der "stumpfen Sonde". Der Nasenblasversuch blieb ohne Befund. Der unaufgeklärte Patient erlitt daraufhin eine Kieferhöhlenentzündung mit wochenlanger antibiotischer Nachbehandlung. Das "Loch" heilte ohne Re-Operation zu. Die Parteien schlossen bei der Zahnärztekammer einen Vergleich, der von der Versicherung des Zahnarztes widerrufen wurde. Nach Klageerhebung verglichen sich die Parteien auf einen Betrag von 4.000,00 Euro Schmerzensgeld. Vertr: RA Herrmann


5.000,00 €
Beim Setzen des Bohrkanals an 37 spürt der Patient trotz Anästhesie einen einschießenden Schmerz.Es wird ein zu langes Implantat gesetzt. Folge: Nervläsion am n. alveolaris inferior und n.mentalis, Dauerschaden (seit 5 Jahren) Taubheit der Lippe und Wange. Besonderheit: Beklagter ist MKG-Chirurg, Kläger ist Radiologe. Der kl. Patient war zwar sachkundig, jedoch nicht beim Einsetzen eines Implantats. Auch wenn dieses zu lang war, hätte er es nicht bemerken müssen. Kein Mitverschulden. Nur 5.000,00 Euro, weil keine weiteren Operationen durchgeführt wurden. AG Esslingen 4 C 1778/13, Urteil vom 02.03.2015.
Vertr. RA Herrmann


6.000,00 €
Die Frau hatte bei dem beklagten Zahnarzt Ober- und Unterkiefer mit herausnehmbaren Teilprothesen anfertigen lassen. Die Kronen hatten überstehende Ränder und die Prothesen saßen zu locker. Die Klägerin hatte daher Schmerzen sowie Sprach-, Beiß- und Kauprobleme. Das OLG billigte der Klägerin das Schmerzensgeld zu. Ein Zahnarzt schulde bei der Versorgung eines Patienten mit Prothesen nicht nur die Behandlung als solche, sondern auch einen Erfolg, stellten die Richter fest.
OLG Koblenz, Urteil vom 19.6.2007, Az. 5 U 467/07

7.000,00 €
Schmerzen durch eine nicht fachgerechte zahnmedizinische Behandlung verursacht
Nach den Feststellungen eines Sachverständigen hatte der behandelnde Zahnarzt mehrere Zähne der Klägerin nicht fachgerecht überkront. Dadurch hatte die Frau in der Folgezeit erhebliche Schmerzen. Außerdem wurde eine umfassende Neubehandlung erforderlich.
OLG Koblenz, Urteil vom 15.11.2006, Az. 5 U 1591/05

5000 € (10000 DM)
OLG Zweibrücken 9.7.1992, Aktenzeichen: 5 U 12/91
16 Monate lang erhebliche und besonders unangenehme Schmerzen als Folge eines ärztlichen Fehlers bei einer Zahnbehandlung. Kläger war beim Sprechen erheblich behindert und hatte Schwierigkeiten beim Kauen

2500 € (5000 DM), OLG Köln,29.1.1992, Aktenzeichen: 27 U 106/91
Verlust von zwei Oberkieferzähnen durch fehlerhafte Zahnbehandlung
1 Jahre andauernde Beschwerden infolge der mangelhaften prothetischen Versorgung des Oberkiefers

6.500,00 DM OLG Düsseldorf, Urteil vom 14. Februar 1986, 6 U 144/85: Fehlerhafte Eingliederung von zwei Brücken, Entfernung der Brücken, Schmerzensgeld

9.000,00 DM, LG Bonn, Urteil vom 23. Oktober 1991, Aktenzeichen 1 O 434/89, fehlerhaftes Anbringen von zwei Brücken, zwei Jahre Schmerzen, Nachbehandlung, Schmerzensgeld

6.000,00 DM. OLG Oldenburg, VersR 1987, 1022: schuldhaft falsches Einsetzen von drei Brücken und dadurch resultierende Beschwerden von eineinhalb Jahren.

Zahnverlust: Landgericht Heidelberg, Urteil vom 16.Februar 2011 – 4 O 133/09

aus den Gründen: .....Der Klägerin steht aufgrund des festgestellten Behandlungsfehlers ein Schmerzensgeld gem. § 253 BGB zu, da sie aufgrund der behandlungsfehlerhaften Extraktion einen erhaltungsfähigen Zahn dauerhaft verloren hat. .Bei der Beurteilung hat sich das Gericht einerseits davon leiten lassen, dass die Klägerin durch den Behandlungsfehler dauerhaft ihren Zahn 44 verloren hat. Andererseits war dieser nicht „kerngesund“, sondern wie das restliche Gebiss der Klägerin bereits für ihr Alter weit überdurchschnittlich vorgeschädigt. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint es notwendig, aber auch ausreichend, der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000,00 Euro zuzusprechen.


Honorar:

Wenn die zahnärztliche Behandlung gänzlich unbrauchbar und unverwertbar war, gilt: Bei fehlgeschlagener Behandlung kann der Patient dem Vergütungsanspruch des Zahnarztes seinen Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB entgegenhalten, ohne dass es einer Aufrechnungserklärung bedarf.

Bei Schlechterfüllung des zahnprothetischen Behandlungsvertrags ist der Patient berechtigt, die Zahlung des ärztlichen Honoraranspruchs insoweit zu verweigern, als die ärztliche Leistung für ihn ohne Interesse ist (OLG Zweibrücken; OLG Oldenburg).

Der Schaden des Patienten ist in der Weise zu ersetzen, dass der Zahnarzt keine Vergütung erlangt (vgl. OLG Köln, LG München I).
Bezahltes Geld ist dem Patienten zurück zu erstatten.
Gleiches gilt bei einer nicht-lege-artis-Behandlung (Urteil des LG München I vom 04.01.2001).

Die frühere Zivilrechtsprechung ergibt:
Kronenränder: Schuldhaft falsches Einsetzen von drei Zahnbrücken (überstehende Kronenränder) mit daraus resultierenden Beschwerden, Schmerzensgeld 5.000.- DM OLG Oldenburg 14.02.1986
VersR 1987/1022

Der Zahnersatz ist zu erneuern, wenn der Aufbiss beider Kiefer nicht stimmt (Okklusion.)OLG Oldenburg 5 U 75/95 v. 05.05.1995

Wegfall ders Zahnarzthonorars (BGH)

Kein zahnärztlicher Honoraranspruch, wenn Nachbesserung nicht möglich ist
Ist die schuldhafte Fehlleistung eines Arztes für den Patienten ohne Interesse und völlig unbrauchbar, besteht der (Mindest-)Schaden des Patienten darin, dass er für eine im Ergebnis unbrauchbare ärztliche Behandlung eine Vergütung zahlen soll. Haben weder der Patient noch seine Versicherung die Leistung bezahlt, ist der Ersatzanspruch unmittelbar auf die Befreiung von der Vergütungspflicht gerichtet.
Eine Patientin verweigerte die Zahlung zahnärztlichen Honorars in Höhe von knapp 17.000 €, weil sämtliche erhaltenen Implantate nicht tief genug in den Kieferknochen eingebracht und falsch positioniert worden seien. Ein Nachbehandler könne eine den Regeln der zahnärztlichen Kunst entsprechende prothetische Versorgung des Gebisses auf Grund dieser Fehler nicht mehr bewirken.
Der BGH lehnte einen Honorarzahlungsanspruch ab. Da das Dienstvertragsrecht keine Gewährleistungsregeln kennt, könne der Vergütungsanspruch bei einer unzureichenden oder pflichtwidrigen Leistung grundsätzlich nicht gekürzt werden oder in Fortfall geraten. Aufgrund der gravierenden Behandlungsfehler beim Setzen der Implantate seien die erbrachten implantologischen Leistungen aber für die Patientin vollkommen nutzlos. Eine der Patientin zumutbare Behandlungsvariante, die zu einem wenigstens im Wesentlichen den Regeln der zahnärztlichen Kunst entsprechenden Zustand hinreichend sicher führen könnte, gebe es nicht. Nicht einmal eine Entfernung der Implantate komme ohne Risiko in Betracht. Für die nutzlosen Leistungen sei kein Honorar zu zahlen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.09.2018 – III ZR 294/16

Honorarrückzahlung ?



Gericht: OLG Koblenz 5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum: 10.10.2012
Aktenzeichen: 5 U 1505/11
Dokumenttyp: Urteil
Quelle:Juris
Normen: § 249 BGB, § 253
BGB, § 254 BGB, §
276 BGB, § 280
BGB, § 611 BGB, §
627 BGB, § 628
BGB, § 823 BGB
Zahnarztvertrag: Vergütungskürzung wegen Schlechtleistung; Zahnarzthaftung für die Kosten der anderweitigen Nachbehandlung;
Schmerzensgeldbemessung für Schäden durch mangelhafte Mundhygiene infolge einer Kunststoffplatte einer Oberkieferbrücke bei erheblichem Mitverschulden des Patienten

Leitsatz
1. Auch der Zahnarztvertrag ist ein Dienstvertrag.(Übersetzung: Der Zahnarzt erstellt kein Werk, sondern er leistet Dienste). Eine Kürzung oder gar ein Wegfall des Vergütungsanspruchs wegen Schlechtleistung kommen daher grundsätzlich nicht in Betracht.
Nach dem Abschluss der Behandlung bestehen auch keine Nachbesserungsansprüche des Patienten oder
Nachbearbeitungsrechte des Zahnarztes. Daher scheidet auch eine Schadensersatzhaftung des Zahnarztes für die Kosten anderweitiger Korrekturbehandlungen aus.(Rn.12)

2. Kündigt der Patient den Vertrag allerdings vor Abschluss der Behandlung, entfällt der Vergütungsanspruch des Zahnarztes, soweit seine bisherigen Arbeiten kein Interesse mehr für den
Patient haben. (Übersetzung: Die erbrachten Leistungen sind fehlerhaft und für den Patient unbrauchbar).
Die Kündigung setzt allerdings eine mehr als nur
geringfügige Fehlleistung des Zahnarztes voraus.(Rn.13).

Dies ist eine von Sachverständigen zu klärende Frage, Ihr Anwalt kann hierzu höchstens Vermutungen anstellen.

Rechtsgeschichte: Sicherheit hat Vorrang

Bundesgerichtshof
Urt. v. 27.11.1952, Az.: VI ZR 25/52

Schadenersatz des Patienten gegen den Zahnarzt bei Verschlucken der ungesicherten Nervnadel im Rahmen einer Wurzelbehandlung; Voraussetzungen für das Vorliegen eines Kunstfehlers; Unterlassung der Trockenlegung der Zahnumgebung als ein Kunstfehler ; Anforderungen an die Sicherheitsmaßregeln eines Zahnarztes; Unterscheidung bei den Sorgfaltspflichten eines akademisch ausgebildeten Zahnarztes und eines Dentisten



Gericht: BGH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 27.11.1952
Referenz: JurionRS 1952, 10169
Aktenzeichen: VI ZR 25/52
BGH, 27.11.1952 - VI ZR 25/52
Amtlicher Leitsatz:

1.
An die Sorgfaltspflicht eines Dentisten sind keine geringeren Anforderungen zu stellen als an die eines Zahnarztes.

2.
Ein Zahnarzt oder Dentist, der bei Benutzung eines Klein-Instrumentes die von der Wissenschaft für erforderlich gehaltenen Sicherungsmaßnahmen unterläßt, handelt auch dann fahrlässig, wenn diese Maßnahmen mit gewissen Unbequemlichkeiten oder Zeitverlust verbunden sind und deshalb in der Praxis üblicherweise nicht angewendet werden. Er haftet deshalb auf Schadensersatz, wenn der Patient eine ohne diese Maßnahmen verwendete Nervnadel verschluckt oder einatmet.

Es geht aber noch schlimmer...HORROR!

Betäubung mit Cognac

Der Zahnarzt hatte seiner Patientin klargemacht, dass an 14 Zähnen eine Wurzelbehandlung nötig sei und er in solchen Fällen dazu tendiere, das Ganze „in einem Rutsch“ zu erledigen. Damit sei der Oberkiefer dann weitgehend saniert und es müsse nur noch eine Blockkrone aufgesetzt werden. Die Patientin stimmte schließlich zu und ließ eine zwölfstündige Tortur über sich ergehen. Der Zahnarzt versuchte denn auch, seiner Patientin den Aufenthalt auf dem Zahnarztstuhl so angenehm wie möglich zu machen. Zwischen den einzelnen Wurzelbehandlungen verabreichte er ihr jeweils einen Schluck Cognac. Der vom LG München befragte Sachverständige konnte den Vorgang kaum fassen und sprach von einer „ungeheuerliche Belastung für den Organismus“.

Dem LG München war dies ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.000 EUR wert. Zusätzlich musste der Zahnarzt die Kosten der Behandlung komplett zurückerstatten (LG München, Urteil v. 18.02.2005, 10 O 6103/03).

Prothese passt nicht

Abschleifen der OK- Zähne und nach einer Wurzelbehandlung trat der Zahnarzt von hinten an die Patientin heran und "klebte" ihr die in Hufeisenform gefertigte komplette Oberkieferprothetik mit einem nach oben geführten Griff und mit festem Zement auf die Oberkieferrestzähne. Das Ding war drin.
Das Problem war nur, dass es nicht passte und höllisch weh tat. Der Zahnarzt beschwor die Patientin, sie werde sich daran gewöhnen, das aber brachte keine Besserung. 13-fache Abschleifmaßnahmen brachten als Ergebnis nur, dass das Metallgerüst zum Vorschein kam. Was nicht gut aussah. Besser wurde die Spannung und die schiefe Bisslage dadurch auch nicht. Dafür die Laune der Patientin schlechter.
Ergebnis: Eigenanteil und Kassenzuschuss zurück, 5.000 Euro Schmerzensgeld.
Jetzt lässt sich die Patientin eine etwas sensiblere Zahnersatzversorgung anfertigen und mit geringerem Risiko provisorisch eingliedern.

Vergleich LG Stuttgart 20 O 193/09
Vertr.: RA Herrmann