Berufsbezeichnung Oralchirurg

Oralchirurg - Zulässigkeit der Berufsbezeichnung

LANDESBERUFSGERICHT FÜR ZAHNÄRZTE
IN STUTTGART






Az: LNs 5/01 (rechtskräftig)






IM NAMEN DES VOLKES


URTEIL




In der Berufsgerichtssache gegen
den Zahnarzt Dr. S.

geb. am .........in...........

niedergelassen in 70


wegen berufsunwürdiger Handlung


hat das Landesberufsgericht für Zahnärzte in Stuttgart in der Sitzung vom 19.01.02,
an welcher teilgenommen haben:


Vizepräsident des LG Stuttgart, Mahler,
- als Vorsitzender -



Ltd. Ministerialrat Schwall
- als rechtskundiger Beisitzer -

Zahnarzt Dr. E.
Zahnarzt Dr. S.
Zahnarzt Dr. S.
- als berufsangehörige Beisitzer -


Ltd. Oberstaatsanwalt Christ
- als Kammeranwalt -

RA Herrmann
- als Rechtsbeistand des Beschuldigten -
-
RA M
- als Protokollführer -


für Recht erkannt:


1.Auf die Berufung des Beschuldigten wird das Urteil des Bezirksberufsgerichtes für Zahnärzte in Stuttgart vom 23.11.00 aufgehoben und der
Beschuldigte freigesprochen.



2.Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Beschuldigten trägt die Kammer.



Gründe:


1.


Das Bezirksberufsgericht für Zahnärzte in Stuttgart hat dem Beschuldigten mit Urteil
Vom 23.11.2000 wegen einer Berufspflichtverletzung eine Warnung erteilt.
Hiergegen wendet sich seine Berufung, mit der er Freispruch von den erhobenen
Beschuldigungen erstrebt.
Das zulässige Rechtsmittel hat Erfolg.


Der 1965 geborene Beschuldigte erhielt am 6.12.1991 sein Bestallung als Zahnarzt. Er promovierte am 10.11.1992 an der Universität Tübingen. Am 4.12.1996 wurde er von der Landeszahnärztekammer Baden - Württemberg als Fachzahnarzt für Oralchirugie anerkannt. Seit 1998 betreibt er in F-B mit einem Kollegen eine Gemeinschaftspraxis, in der er ausschließlich oral- bzw. kieferchirugisch tätig ist; eine kas-senzahnärztliche Zulassung hat er nicht. Daneben betreut er die F-klinik und die P-klinik R. gleichfalls auf dem Gebiet der Zahnchirurgie.


2.


Für seine Praxiskorrespondenz hat der Beschuldigte mindestens bis Dezember 1999
Briefbögen verwendet, bei denen im Briefkopf unter seinem Namen die Bezeichnungen
"Oralchirug
Konsiliarius der F....klinik
Konsiliarius der P....klinik R."


angefügt waren.


Unter Hinweis, dass sich der Beschuldigte im Oktober 1997 entschieden hatte, die
Gebietsbezeichnung "Zahnarzt für Oralchirugie" zu führen und ihm die Bezeichnung
von der Landeszahnärztekammer am 19.10.1997 bestätigt worden war, teilte ihm die
Bezirkzahnärztekammer Stuttgart am 23.12.1999 mit, dass die Zusätze "Konsiliarus
der Fi...klinik" und "Konsiliarius der P...klinik R." unzulässig seien. Gleichzeitig wurde ihm aufgegeben, zukünftig nur die Gebietsbezeichnung " Zahnarzt für Oralchirugie" zu führen und seinen Briefkopf entsprechend zu ändern. Mit Schreiben vom 19.2.2000 bat der Beschuldigte, ihm die genaue rechtliche Grundlagen der berufsrechtlichen Anordnung mitzuteilen. Die Bezirkszahnärztekammer benannte ihm mit Schreiben vom 25.2.2000 die Rechtsgrundlagen und forderte ihn erneut auf, die Abänderung die Abänderung des Briefkopfes zu bestätigen. Am 17.6.2000 teilte der Beschuldigte schließlich dem Kammeranwalt, der am 23.3.2000 ein berufsrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet hatte, mit, er werde in Zukunft die beanstandeten Zusätze weglassen.


3.

Die Feststellungen zur Person des Beschuldigten und zu den berufsrechtlichen Vorgängen beruhen auf der Verlesung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der fragliche Briefkopf wurde in Augenschein genommen. Der Beklagte räumt den Sachverhalt ein, ist aber der Auffassung, nicht berufswidrig gehandelt zu haben, da es rechtlich keinen Unterschied mache, ob er sich "Zahnarzt für Oralchirurgie" oder einfach "Oralchirurg" nenne. Auch mit der Bezeichnung "Konsiliarius ..." verstoße er nicht gegen seine Berufspflichten.


Das Bezirksberufsgericht für Zahnärzte in Stuttgart hat in dem Verhalten des Beschuldigten eine berufsunwürdige Handlung (§§ 29, 55 KG, 1, 12 und 14 BO) gesehen und eine Verurteilung ausgesprochen. Nachdem die Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg inzwischen mit Satzung vom 12.11.2001 die Berufsordnung geändert und in § 15 Abs. 3 BO zugelassen hat, dass bei nicht nur vorübergehend konsiliarischer Tätigkeit auf diese besondere Berufstätigkeit durch den Zusatz "Konsiliarzahnarzt" hingewiesen werden darf, war der Beschuldigte - unter Aufhebung des Urteils des Bezirksberufsgerichts vom 23.11.2000 - freizusprechen, zumal der weitere Vorwurf, der Bechuldigte habe sich vorschriftswidrig als "Oralchirurg" und nicht als "Zahnarzt für Oralchirurgie" ausgewiesen, allenfalls als geringfügiger Formverstoß zu behandeln und nicht mit einer berufsgerichtlichen Maßnahme zu belegen ist.


Der Beschuldigte hat sich keine Qualifikation angemaßt, die er nicht besitzt. Ob er die in § 18 der Weiterbildungsordnung genannten Gebietsbezeichnungen "Zahnarzt, Oralchirurg" bzw. "Zahnarzt für Oralchirurgie" einhält oder sich ohne Zusatz als "Oralchirurg" bezeichnet, ist nur ein unwesentlicher formaler Unterschied, ohne dass eine Irreführung der Patienten damit verbunden ist oder gar wegen eines unzulässigen Werbegehalts die Interessen des Berufstandes beeinträchtigt wären. Die vom Beschuldigten gewählte Bezeichnung entspricht seinem Tätigkeitsbereich, denn er befasst sich ausschließlich mit Oralchirurgie und will auf allgemeinzahnärztlichem Gebiet nicht tätig sein und ist es auch nicht.


Durch die Tätigkeitsangaben "Konsiliarius der F...klinik" und "Konsiliarius der P...klinik R." informiert der Beschuldigte sachlich richtig über seine klinische Tätigkeit, was die Berufsordnung in der Fassung vom 12.11.2001 nunmehr auch gestattet (§ 15 Abs. 3 n.F.). Ob die Tätigkeitsbezeichnung vor der oben mitgeteilten Änderung der Satzung mit der Begründung, sie sei in der Berufsordnung nicht vorgesehen, hätte untersagt werden können, oder ob sie im Lichte der grundgesetzlich garantierten Berufsfreiheit hätte als zulässig erachtet werden müssen, kann dahinstehen, denn - von dem Rechtsgedanken des § 2 StGB ausgehend - kommt dem Beschuldigten bei der Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts die für ihn günstige Fassung der Berufsordnung vom 12.11.2001 zugute.


4.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 71 Abs. 3 KG. Die Kostentragungspflicht der Kammer umfasst auch die dem Beschuldigten erwachsenen Auslagen, weil sie zur Rechtsverteidigung notwendig waren (§ 58 Nr. 1 BO).



Mahler Schwall