Angestellter (Zahn-)Arzt ohne Genehmigung- ungeeignet ?

Vorauseilender Arbeitseifer ist kein schwerwiegender Charaktermangel


SG Düsseldorf,v.10.08.2007, Az. S 2 KA 94/07 ER


Nur der Praxisinhaber und nicht der anzustellende Zahnarzt kann die Genehmigung für die Anstellung beantragen und allein dem Praxisinhaber gegenüber treffen die Zulassungsgremien eine Entscheidung. Dies gilt auch dann, wenn die Versagung der Genehmigung auf die Ungeeignetheit des anzustellenden Zahnarztes gestützt wird.
SGG § 75 Abs. 1 S. 1, Zahnärzte-ZV § 32b


Sozialgericht Düsseldorf

Beschluss(nicht rechtskräftig)

Auf den Antrag des Antragstellers zu 1) wird diesem gestattet, bis zur rechtskräftigen Erledigung seiner Hauptsacheklage S 0 KA 00/00 gegen den Beschluss des Antragsgegners zu 2) vom 18.07.2007 die Antragstellerin zu 2) vorläufig als angestellte Zahnärztin in seiner Praxis in L1, Qstraße 000, zu beschäftigen. Der Antrag der Antragstellerin zu 2) wird zurückgewiesen. Die Antragsteller zu 1) und 2) – als Gesamtschuldner – und der Antragsgegner zu 2) tragen die Gerichtskosten jeweils zur Hälfte. Die Antragsteller zu 1) und 2) – als Gesamtschuldner – tragen die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners zu 1) in vollem Umfange und diejenigen des Antragsgegners zu 2) zur Hälfte. Der Antragsgegner zu 2) trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu 1) zur Hälfte.

Gründe:

I.

Streitig ist die vorläufige Beschäftigung einer angestellten Zahnärztin.

Der Antragsteller zu 1) ist als Zahnarzt in L1 niedergelassen und zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Er ist Mitglied des Vorstandes der Mc Zahn AG, X. Seit dem 25.05.2007 beschäftigt er mit Genehmigung Herrn L2 als einzigen angestellten Zahnarzt.

Die Antragstellerin zu 2) ist approbierte Zahnärztin und mit Wirkung vom 03.04.2007 in das Zahnarztregister der Beigeladenen zu 8) eingetragen. Vom 03.05.2007 bis 31.07.2007 war sie als Vertreterin in der Praxis des Antragstellers zu 1) tätig. Über einen Verlängerungsantrag ist gegenwärtig noch nicht entschieden.

Unter dem 20.02.2007, beim Antragsgegner zu 1) eingegangen am 01.03.2007, beantragte der Antragsteller zu 1) privatschriftlich die Genehmigung der Beschäftigung der Antragstellerin zu 2) als angestellte Zahnärztin in seiner Praxis. Unterlagen waren diesem Antrag nicht beigefügt. Der Antragsgegner zu 1) teilte dem Antragsteller zu 1) mit Schreiben vom 02.03.2007 unter Beifügung eines entsprechenden Antragsvordrucks das Fehler der Unterlagen – Registerauszug, Arbeitsvertrag – mit und wies darauf hin, dass die Antragstellerin zu 2) erst kassenzahnärztlich tätig werden könne, wenn die entsprechende Genehmigung des Zulassungsausschusses vorliege. Zudem wies er ausdrücklich darauf hin, dass ab dem 01.01.2007 die Eintragung in das Zahnarztregister auch für die Genehmigung von angestellten Zahnärzten zwingende Voraussetzung sei. Die Antragstellerin zu 2) sei nicht im Register der KZV Nordrhein eingetragen.

Daraufhin beantragte der Antragsteller zu 1) unter dem 06.03.2007, eingegangen am 20.03.2007, auf dem entsprechenden Formular die Genehmigung zur Beschäftigung der Antragstellerin zu 2) als angestellte Zahnärztin, wobei er den Arbeitsbeginn mit dem 20.02.2007 angab. Seinem Antrag fügte er einen Arbeitsvertrag bei, nach dessen § 1 die Antragstellerin zu 2) mit Wirkung vom 20.02.2007 als angestellte Zahnärztin (Arbeitnehmer) in die Praxis eintrete. Nach § 11 werde dieser Vertrag nur wirksam, wenn die für die Anstellung des Arbeitnehmers erforderliche Genehmigung von der zuständigen KZV (nach § 32 Abs. 2 der Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte (Zahnärzte-ZV)) erteilt worden sei.

Mit Schreiben vom 26.03.2007 an die Antragstellerin zu 2) bestätigte der Antragsgegner zu 1) den Eingang des Genehmigungsantrages und teilte ihr dabei mit, dass aufgrund des erst am 20.03.2007 eingegangenen Antrages eine Entscheidung erst in seiner Sitzung am 25.04.2007 erfolgen könne. Eine rückwirkende Genehmigung sei ausgeschlossen.

In der Sitzung des Antragsgegners zu 1) vom 25.04.2007 gab die Antragstellerin zu 2) auf Befragen an, dass sie seit 20.02.2007 in der Praxis des Antragstellers zu 1) tätig sei und gesetzlich krankenversicherte Patienten behandele. Sie habe seit diesem Zeitpunkt voll behandelt, also das gesamte Spektrum der Zahnmedizin angeboten. Ihr sei zwar bekannt, dass eine Tätigkeit als angestellte Zahnärztin erst zu dem Zeitpunkt aufgenommen werden könne, zu welchem die dazu erforderliche Genehmigung erteilt worden sei. Man hätte ihr jedoch in der Praxis des Antragstellers zu 1) gesagt, dass es in Ordnung sei, wenn sie vor Genehmigung anfinge. Es sei mit der KZV so abgesprochen. Der Antrag wäre eingereicht worden und von daher könne sie vorab schon die Tätigkeit aufnehmen.

Mit Beschluss vom 25.04.2007, ausgefertigt als Bescheid am 14.06.2007, lehnte der Antragsgegner zu 1) den Antrag des Antragstellers zu 1) auf Genehmigung zur Beschäftigung der Antragstellerin zu 2) als angestellte Zahnärztin ab: Die Antragstellerin zu 2) sei als anzustellende Zahnärztin zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung ungeeignet, weil sie ohne Genehmigung der Anstellung wissentlich entgegen ausdrücklichem Hinweis gesetzlich versicherte Patienten bereits seit 20.02.2007 behandelt habe.

Hiergegen eingelegte Widersprüche wies der Antragsgegner zu 2) mit Beschluss vom 17.07.2007 hinsichtlich der Antragstellerin zu 2) mangels Verfahrensbeteiligung als unzulässig und hinsichtlich des Antragstellers zu 1) als unbegründet zurück:

Der Genehmigung der Anstellung eines Zahnarztes komme statusbildender Charakter zu, was eine rückwirkende Ausgestaltung ausschließe. Der Begriff dieser Genehmigung entspreche nicht derjenigen des § 184 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Bei der Antragstellerin zu 2) lägen schwerwiegende Mängel vor, die ihre Ungeeignetheit zur Teilnahme am System der vertragszahnärztlichen Versorgung als angestellte Zahnärztin erwiesen hätten und es jedenfalls derzeit geböten, die Genehmigung zur Anstellung abzulehnen.

In § 11 des am 19.02.2007 abgeschlossenen Arbeitsvertrages sei ausdrücklich geregelt, dass dieser Vertrag nur wirksam werde, wenn die für die Anstellung des Arbeitnehmers erforderliche Genehmigung erteilt worden sei. Hieraus habe die Antragstellerin zu 2) zwanglos entnehmen können, dass sie die bei dem Antragsteller zu 1) als Vertragszahnarzt in Aussicht genommene Position als angestellte Zahnärztin im Sinne der Zahnärzte-ZV, auf die auch in § 11 des Vertrages ausdrücklich hingewiesen werde, erst nach Erteilung der Genehmigung ausüben dürfe, wenn der aufschiebend bedingte Arbeitsvertrag überhaupt rechtswirksam geworden sei. Gleichwohl habe die Antragstellerin zu 2) bereits seit 20.02.2007 gesetzlich krankenversicherte Patienten in vollem Umfang behandelt. Damit habe sie bewusst die Rechtslage ignoriert und sich wissentlich und willentlich in rechtswidriger Weise Eingang in das System der vertragszahnärztlichen Versorgung verschafft, indem sie Sachleistungen zu Lasten der gesetzlichen Kostenträger erbracht habe, zu denen sie überhaupt nicht befugt gewesen sei. Hierbei handele es sich um ein schwerwiegendes Fehlverhalten, weil es offenbare, dass sie nicht gewillt sei, sich gesetzlichen Regelungen entsprechend zu verhalten, sich vielmehr leichtfertig darüber hinwegsetze. Dabei könne sie auch die behauptete Zusicherung des Antragstellers zu 1), es sei so in Ordnung, nicht exkulpieren. Denn es habe ihr eine eigenständige Prüfpflicht oblegen.

Jedenfalls aber, als die Antragstellerin zu 2) nach Erhalt des Schreibens des Zulassungsausschusses vom 26.03.2007, in dem unmissverständlich zum Ausdruck gekommen sei, dass eine rückwirkende Genehmigung der Anstellung ausgeschlossen sei, dessen ungeachtet gleichwohl die Behandlung gesetzlich krankenversicherter Patienten fortgesetzt habe, habe sie eklatant die gesetzlichen Regelungen des Systems der vertragszahnärztlichen Versorgung missachtet, an dem sie teilnehmen wolle, und sich damit als ungeeignet erwiesen.

Am 19.07.2007 haben die Antragsteller das Gericht um Erlass einer einstweiligen Anordnung angerufen und gleichzeitig Klage in der Hauptsache gegen die Entscheidung des Antragsgegners zu 2) erhoben (S 0 KA 00/00).

Die Antragsteller gehen davon aus, dass der Antragstellerin zu 2) ein eigenes Anfechtungsrecht zusteht. Die von dem Antragsgegner zu 2) inzidenter festgestellte Ungeeignetheit belaste sie selbständig, denn die Nichteignung bestehe allgemein und nicht lediglich in Bezug auf die Beschäftigung in einer bestimm ten Praxis. Sie müsse jedenfalls damit rechnen, dass ihr die auf ihre Person bezogenen Gründe auch in anderen Verfahren zumindest unterschwellig vorgehalten würden.

Ein Anordnungsgrund könne nicht deshalb verneint werden, weil die Antragstellerin zu 2) als Vertreterin des Antragstellers zu 1) tätig (gewesen) sei. Könnte sie als angestellte Zahnärztin arbeiten, dann könnte ein anderer Zahnarzt als Vertreter tätig werden.

Die vor Genehmigung des Anstellungsverhältnisses begonnene Tätigkeit stelle zwar einen Ordnungsverstoß dar, der zur Nichtvergütung der von der Antragstellerin zu 2) erbrachten Leistungen führe. Weitere Folgen könne dieser Verstoß aber nicht haben, insbesondere lasse er keinen Rückschluss auf einen schwerwiegenden Charaktermangel zu, der die Funktionsfähigkeit des Systems der vertragszahnärztlichen Versorgung gefährde. Die Antragstellerin zu 2) habe den vorzeitigen Beginn ihrer Arbeitstätigkeit im Antragsformular offengelegt, diese Tätigkeit ohne Ausflüchte in der Sitzung des Antragsgegners zu 1) eingeräumt, sich somit wahrheitsgemäß verhalten, nicht gelogen und nicht betrogen.

Hinzu komme, dass die Rechtsgrundsätze über die statusbildende und nicht rückwirkend mögliche Genehmigung nicht unmittelbar aus dem Gesetz, sondern aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) folgten und einem nicht ständig im Sozialrecht Tätigen nur nach intensiver Befassung mit der Materie erkennbar würden. Das der Antragstellerin zu 2) überreichte Formblatt habe keine besondere Warn- und Hinweisfunktion und insbesondere keinen Hinweis darauf, dass eine vorzeitige Arbeitsaufnahme disziplinarische Folgen oder gar die Feststellung der Ungeeignetheit haben könne. Auch das Schreiben des Antragsgegners zu 1) vom 26.03.2007 sei kein Individualschreiben gewesen, sondern ein allgemeines Formularschreiben ohne besondere Warn- und Hinweisfunktion. Der privatrechtliche Arbeitsvertrag habe keine zulassungs rechtliche Relevanz und habe die Antragsteller nicht daran gehindert, stillschweigend eine frühere Arbeitsaufnahme zu vereinbaren.

Im Übrigen sei die Antragstellerin zu 2) vor Erteilung der Genehmigung nicht Mitglied des Systems der vertragszahnärztlichen Versorgung gewesen und habe nicht gegen Vertragsarztrecht verstoßen können.

Die Erteilung der Genehmigung selbst sei schließlich nur eine Formsache gewesen, da im Zeitpunkt der Sitzung des Antragsgegners zu 1) am 26.03.2007 alle Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt gewesen seien.

Nachdem die Antragsteller den Antrag gegen den Antragsgegner zu 1) zurückgenommen haben und das Verfahren nur noch gegen den Antragsgegner zu 2) fortsetzen, beantragen sie,

im Wege der einstweiligen Anordnung folgendes anzuordnen:

Dem Antragsteller zu 1) wird gestattet, bis zur rechtskräftigen Abweisung seiner Anfechtungsklage gegen den Beschluss des Antragsgegners zu 2) vom 18.07.2007 die Antragstellerin zu 2) vorläufig als angestellte Zahnärztin in der Praxis des Antragstellers zu 1) in L1, Qstraße 000, zu beschäftigen.

Der Antragsgegner zu 1) hatte beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen ihn als unzulässig zurückzuweisen. Der Antragsgegner zu 2) beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 19.07.2007 zurückzuweisen.

Er hält einen Anordnungsgrund für zweifelhaft, weil die Antragstellerin zu 2) in der Praxis des Antragstellers zu 1) vom 03.05.2007 bis 31.07.2007 als Vertreterin tätig (gewesen) sei.

Der Anordnungsanspruch der Antragstellerin zu 2) sei unzulässig. Auch wenn die Ablehnung der Anstellungsgenehmigung auf ihre Ungeeignetheit gestützt worden sei, habe sie kein eigenes Antragsrecht. Auch im Falle einer bindenden Ablehnung der Anstellungsgenehmigung werde ihre Ungeeignetheit für andere Ansprüche nicht bindend festgestellt.

Die Antragstellerin zu 2) sei ungeeignet. Sie habe in Kenntnis des § 11 des Arbeitsvertrages, der die Wirksamkeit des Vertrages von der Genehmigung abhängig mache, in Kenntnis des einschlägigen Merkblattes, auf das sie selbst hinweise, die Beschäftigung als angestellte Zahnärztin ohne die statusbildende Genehmigung, die eine rückwirkende Genehmigung ausschließe, bereits am 22.02.2007 aufgenommen und auch dann noch weiter fortgesetzt, als sie mit Schreiben des Zulassungsausschusses vom 26.03.2007 auf die Rechtslage ausdrücklich hingewiesen worden sei. Damit habe sie das System der vertragszahnärztlichen Versorgung, an dem sie teilnehmen wolle, in grober Weise bewusst missachtet und zu erkennen gegeben, dass sie nicht bereit sei, im Falle ihrer Anstellung die ihr als angestellte Zahnärztin obliegenden Pflichten zu erfüllen.

Die Beigeladenen zu 1) bis 8) stellen keine Anträge.

II.

Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war stattzugeben.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Durch das am 02.01.2002 in Kraft getretene 6. SGG-ÄndG (BGBI. l S. 2144 ff.) ist der einstweilige Rechtsschutz im SGG in Anlehnung an §§ 80 ff. der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geregelt worden. Dies rechtfertigt es, die zu §§ 80, 80 a, 123 VwGO entwickelten Grundsätze auf das sozialgerichtliche Verfahren zu übertragen (LSG NRW, Beschlüsse vom 18.09.2002 – L 10 B 9/02 KA ER – und vom 23.08.2002 – L 10 B 12/02 KA ER –). Danach sind die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist – erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs – einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 –; LSG NRW, Beschluss vom 04.09.2006 – L 10 B 2/06 KA ER –), es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfGE 93, 1 ff). Andererseits müssen die Gerichte unter Umständen wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit Rechtsfragen nicht vertiefend behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung treffen können (BVerfG NJW 1997, 479, 480; NVwZ RR 2001, 694 bis 695; LSG NRW, Beschluss vom 19.03.2007 – L 10 B 3/07 KA ER – m.w.N.).

Nach diesen Maßgaben besteht Veranlassung zum Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Ein Anordnungsgrund ist gegeben. Nach § 32b Abs. 1, 2 Zahnärzte-ZV kann der Vertragszahnarzt Zahnärzte nach Maßgabe des § 95 Abs. 9 SGB V anstellen; die Anstellung bedarf der Genehmigung des Zulassungsausschusses. Sind die inhaltlichen und formellen Voraussetzungen zur Genehmigung der Anstellung erfüllt und stehen keine Hinderungsgründe entgegen, hat der Vertragszahnarzt einen Rechtsanspruch auf die Genehmigung, da die Vorschrift den Zulassungsgremien kein Ermessen einräumt. Vorliegend sind die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt, auch stehen Hinderungsgründe nicht entgegen, wie später ausgeführt wird. Angesichts dessen kann der Antragsteller zu 1) nicht darauf verwiesen werden, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren S 0 KA 00/00 zuzuwarten. Denn eine solche Entscheidung kann, wenn sich das Verfahren ggf. über mehrere Instanzen erstreckt, u.U. erst in mehreren Jahren ergehen. Der bis dahin entstehende rechtliche und wirtschaftliche Nachteil durch die Nichtanstellung der Antragstellerin zu 2) kann durch eine Entscheidung in der Hauptsache aber nicht mehr beseitigt werden.

Unerheblich ist, dass die Antragstellerin zu 2) in der Praxis des Antragstellers zu 1) vom 03.05.2007 bis 31.07.2007 als Vertreterin tätig gewesen ist. Nach Vortrag des Antragstellers zu 1) handelt es sich insofern um eine Krankheitsvertretung, die gemäß § 32 Abs. 1 Satz 2 Zahnärzte-ZV innerhalb eines Jahres nur bis zur Dauer von drei Monaten genehmigungsfrei zulässig ist und inzwischen auch bereits beendet wurde. Eine darüber hinausgehende Vertretergenehmigung gemäß § 32 Abs. 2 Satz 2 Zahnärzte-ZV ist – sofern beantragt – gegenwärtig jedenfalls nicht genehmigt worden. Demgegenüber zielt die Anstellung der Antragstellerin zu 2) auf eine unbefristete, dauerhafte Beschäftigung ab, wie sich aus § 9 des Arbeitsvertrages ergibt. Dies hat eine andere Qualität als die Vertretungstätigkeit.

Für den Antragsteller zu 1) besteht auch ein Anordnungsanspruch. Im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sind bei summarischer Prüfung alle Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt, Hinderungsgründe stehen nicht entgegen.

Die Antragstellerin zu 2) hat indes keinen Anordnungsanspruch.

Die Möglichkeit zur Beschäftigung angestellter Zahnärzte nach § 32b Zahnärzte-ZV ist als originäres Recht des Praxisinhabers ausgestaltet. Nur dieser und nicht der anzustellende Zahnarzt kann die Genehmigung für die Anstellung beantragen, und allein dem Praxisinhaber gegenüber treffen die Zulassungsgremien eine Entscheidung. Dies gilt auch dann, wenn die Versagung der Genehmigung auf die Ungeeignetheit des anzustellenden Zahnarztes gestützt wird. Demgemäß ist allein der Praxisinhaber zur gerichtlichen Anfechtung berechtigt, weil nur er im Außenverhältnis darüber disponieren darf, ob er seinen Rechtsanspruch auf Erteilung der Genehmigung nach § 32b Zahnärzte-ZV gerichtlich durchsetzen will oder nicht.

Zwar schließt dies nicht aus, dass die gerichtliche Entscheidung die berechtigten Interessen des anzustellenden Zahnarztes berührt. Hierzu kann der anzustellende Zahnarzt nach § 75 Abs. 1 Satz 1 SGG (einfach) beigeladen werden, was sich für den Regelfall als sachgerecht erweisen wird, damit ihm Gelegenheit gegeben wird, die ihn betreffenden Belange hinsichtlich seiner Eignung und fachlichen Qualifikation in das Verfahren einzubringen (BSG, Urteile vom 20.09.1995 – 6 RKa 37/94 –; vom 02.10.1996 – 6 RKa 82/95 –). Als (einfach) Beigeladener kann der anzustellende Zahnarzt innerhalb der Sachanträge der Hauptbeteiligten selbständig Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen und alle Verfahrenshandlungen wirksam vornehmen (§ 75 Abs. 4 SGG). In zulässiger Weise kann deshalb die Antragstellerin zu 2) den Antrag des Antragstellers zu 1) unterstützen, indem sie sich diesem anschließt. Ob dies im Rahmen einer (einfachen) Beiladung geschieht oder in der Position als eigene Hauptbeteiligte, macht jedenfalls für das vorliegende Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes keinen Unterschied und bedarf daher keiner vertieften rechtlichen Würdigung.

Gleichwohl begründet die verfahrensrechtliche Stellung der Antragstellerin zu 2) keine für einen Anordnungsanspruch erforderlichen eigenen Rechte. In der hier allein entscheidungserheblichen zulassungsrechtlichen Hinsicht besteht das zur Anstellung führende Rechtsverhältnis allein zwischen dem Praxisinhaber und den Zulassungsgremien (sowie den weiteren beteiligten Körperschaften), in das der anzustellende Zahnarzt nicht eingebunden ist. Soweit die Antragstellerin zu 2) sich durch die ihr vorgehaltene Ungeeignetheit in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt sehen sollte und befürchtet, diese auf ihre Person bezogenen Gesichtspunkte könnten ihr in anderen Verfahren zumindest unterschwellig vorgehalten werden, ist dies im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens unerheblich. Hier geht es allein um eine vorläufige Regelung zu ihrer Anstellung. Alle darüber hinausgehenden rechtlichen Gesichtspunkte mögen ggf. dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Materiellrechtlich ergibt sich der Anordnungsanspruch aus Folgendem:

Nach § 103 Abs. 8 SGB V in der ab 01.04.2007 geltenden Fassung gelten die Vorschriften über Zulassungsbeschränkungen wegen Überversorgung nicht für Zahnärzte. Bedarfsplanungsrecht steht der Anstellung somit nicht entgegen.

Gemäß § 32b Abs. 1 Satz 2 Zahnärzte-ZV i.V.m. § 4 Abs. 1 BMV-Z, § 8 Abs. 3 EKV-Z in den Fassungen ab 01.07.2007 können am Vertragszahnarztsitz zwei vollzeitbeschäftigte Zahnärzte angestellt werden. Der Antragsteller zu 1) beschäftigt gegenwärtig nur einen angestellten Zahnarzt, Herrn L2, so dass die Anstellung der Antragstellerin zu 2) auch durch Bundesmantelvertragsrecht nicht gehindert wird.

Die Antragstellerin zu 2) ist approbierte Zahnärztin und in das Zahnarztregister der Beigeladenen zu 8) eingetragen; alle dem Antrag beizufügenden Unterlagen (§ 32b Abs. 2 i.V.m. § 18 Abs. 2 bis 4 Zahnärzte-ZV) liegen vor.

Nach Auffassung der Kammer ist die Antragstellerin zu 2) auch nicht ungeeignet für die Tätigkeit als angestellte Zahnärztin. Gemäß § 32b Abs. 2 Satz 3 Zahnärzte-ZV gilt § 21 entsprechend. Nach § 21 ist ungeeignet für die Ausübung der Kassenpraxis ein Zahnarzt mit geistigen oder sonstigen in seiner Person liegenden schwerwiegenden Mängeln, insbesondere ein Zahnarzt, der innerhalb der letzten fünf Jahre vor seiner Antragstellung rauschgiftsüchtig oder trunksüchtig war. Hinderungsgründe dieser Art sieht die Kammer nicht.

Ob ein Zahnarzt in diesem Sinne ungeeignet ist, ist keine Ermessensfrage. Der Begriff der Ungeeignetheit ist vielmehr ein unbestimmter, gerichtlich voll nachprüfbarer Rechtsbegriff (BayLSG, Urteil vom 02.12.1981 – L 12/Ka 27/81 –).

Außerhalb der exemplarisch genannten Rauschgift- und Trunksucht und der damit vergleichbaren Medikamentenabhängigkeit (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.01.2004 – L 5 KA 4663/03 ER-B), die hier unstreitig nicht vorliegen, können sich schwerwiegende Mängel vor allem aus charakterlichen Defiziten ergeben, die ihren Ausdruck in einem entsprechenden Fehlverhalten finden, oder in gröblichen Pflichtverletzungen begründet sein (z.B. Pflichtverstöße kriminellen Charakters wie Urkundenfälschung und Diebstahl (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.03.1998 – L 5 KA 313/98 ER-B; SG Düsseldorf, Urteil vom 04.09.2002 – S 2 KA 10/02 –); sexuelle Verfehlungen an Patien- tinnen (BayLSG, Urteil vom 19.07.1995 – L 12 Ka 63/93 –); erhebliche Verschuldung trotz ausreichender Einkünfte (BSG, Urteil vom 10.05.2000 – B 6 KA 67/98 R; BayLSG, Urteil vom 16.04.1980 – L 12/Ka 4/77 –); unsachliche und überzogene Angriffe gegen das Vertragsarztsystem (BSG, Urteil vom 08.07.1981 – 6 RKa 17/80 –; LSG NRW, Beschluss vom 04.09.2006 – L 10 B 2/06 KA ER); keine peinlich genaue Leistungsabrechnung (Bay. LSG, Urteil vom 12.12.1980 – L 12/Ka 11/78 –)). Schwerwiegende Mängel im Sinne des § 21 Zahnärzte-ZV können sich auch aus einem früheren ärztlichen Verhalten außerhalb einer vertragsärztlichen Tätigkeit ergeben, insbesondere im Zusammenhang mit der Beantragung der Anstellungsgenehmigung (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.07.1999 – L 5 KA 566/98 –).

Vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG)) ist bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals “Ungeeignetheit” jedoch ein restriktiver Maßstab anzulegen. Die Versagung der Anstellungsgenehmigung ist nur dann zulässig, wenn die Mängel so beschaffen sind, dass sie die Funktionsfähigkeit des Systems der vertragszahnärztlichen Versorgung gefährden. Dies ist dann anzunehmen, wenn durch die Art und Schwere des Verstoßes das Vertrauensverhältnis zwischen dem Zahnarzt, der Kassenzahnärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen derart gestört ist, dass eine Zusammenarbeit nicht möglich erscheint.

Das ist hier nicht zu erkennen. Die Antragstellerin zu 2) hat zwar objektiv ab 20.02.2007 Leistungen im System der vertragszahnärztlichen Versorgung erbracht, obwohl sie diesem System noch nicht angehörte und die Leistungen nicht erbringen durfte. Die Genehmigung nach § 32b Abs. 2 Satz 1 Zahnärzte-ZV hat statusbegründenden Charakter und wirkt erst ab Wirksamwerden des Bescheides des Zulassungsausschusses; eine Rückverlagerung ist im Hinblick auf die Auswirkungen, die mit der Anstellung des Zahnarztes verbunden sind, ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 20.09.1995 – 6 RKa 37/94 –; vgl. auch BSG, Urteil vom 28.03.2007 – B 6 KA 30/06 R –). Vor dem 03.04.2007 konnte die erforderliche Genehmigung auch nicht erteilt werden, weil die Antragstellerin zu 2) erst mit Wirkung ab diesem Tage in das Zahnarztregister der Beigeladenen zu 8) eingetragen wurde. Der Nachweis der Eintragung in das Zahnarztregister ist seit dem 01.01.2007 aber Voraussetzung für die Anstellung (§ 95 Abs. 9 Satz 1 SGB V).

Für die Annahme eines schwerwiegenden Mangels reicht das objektiv rechtswidrige Verhalten der Antragstellerin zu 2) jedoch nicht aus. Denn ihr Verschulden ist nicht als so hoch zu bewerten, dass es eine Ungeeignetheit begründen könnte.

Der am 19.01.2007 geschlossene zivilrechtliche Arbeitsvertrag nennt in seinem § 1 den 20.02.2007 als Eintrittsdatum der Antragstellerin zu 2) in die Praxis. Er steht zwar gemäß § 11 unter dem Vorbehalt des Wirksamwerdens erst nach Erteilung der Anstellungsgenehmigung. In der gelebten Wirklichkeit hatte jedoch der Antragsteller zu 1) als Praxisinhaber die Arbeitsleistung der Antragstellerin zu 2) entgegengenommen. Ihm hätte als ihr Vertragspartner die Verpflichtung oblegen, ihre Arbeitsleistung bis zu einer wirksamen Genehmigung zurückzuweisen. Dies gilt vor allem deshalb, weil ihn der Antragsgegner zu 1) mit Schreiben vom 02.03.2007 darauf hingewiesen hat, dass die Antragstellerin zu 2) erst kassenzahnärztlich tätig werden könne, wenn die entsprechende Genehmigung des Zulassungsausschusses vorliege. Stattdessen hat der Antragsteller zu 1) der Antragstellerin zu 2) unwidersprochen zu verstehen gegeben, es sei in Ordnung, wenn sie vor Genehmigung anfinge. Es sei mit der KZV so abgesprochen. Der Antrag wäre eingereicht worden und von daher könne sie vorab schon die Tätigkeit aufnehmen. In dieser Lage hätte sich die Antragstellerin zu 2) zwar durch Rücksprache mit der Genehmigungsbehörde Klarheit über die Rechtslage verschaffen müssen, zumal in dem ihr bekannten Merkblatt darauf hingewiesen wurde, die Genehmigung bewirke, dass der angestellte Zahnarzt frühestens ab dem Tage nach der Beschlussfassung (Sitzung) beschäftigt werden könne. Dass sie diese notwendige Information unterlassen und die Arbeit fortgesetzt hat, begründet aber keine schwerwiegenden Eignungsmängel.

Dies gilt auch nicht im Hinblick darauf, dass der Antragstellerin zu 2) durch Schreiben des Antragsgegners zu 1) vom 26.03.2007 mitgeteilt worden war, aufgrund des erst am 20.03.2007 eingegangenen Antrages könne eine Entscheidung erst in der Sitzung am 25.04.2007 erfolgen. Eine rückwirkende Genehmigung sei ausgeschlossen. Für einen juristischen Laien erschließen sich hieraus nicht mit hinreichender Deutlichkeit die nachteiligen Rechtsfolgen einer vorzeitigen Arbeitsaufnahme. Dies gilt vor allem deshalb, weil der anzustellende Zahnarzt eben gerade kein Beteiligter am Genehmigungsverfahren ist und ihm gegenüber die Zulassungsgremien auch keine Entscheidung treffen. Von daher vermag er bei der rechtliche Einordnung des Wirksamkeitszeitpunktes der Genehmigung die Tragweite seines Handelns nicht ohne Weiteres zuverlässig zu überblicken. Hätte der Zulassungsausschuss, dem der Beginn der Arbeitsaufnahme zum 20.02.2007 aus dem Formularantrag frühzeitig bekannt war, das der Antragstellerin zu 2) nunmehr vorgeworfene Fehlverhalten sicher verhindern wollen, hätte er ihr mit einem deutlichen individuellen Hinweis die weitere Fortsetzung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit ausdrücklich untersagen müssen.

Insgesamt ist das Verhalten der Antragstellerin zu 2) zwar nicht billigenswert und mögliche Rechtsirrtümer sind nicht unvermeidbar gewesen. Zu einer Ungeeignetheit, die das vertragszahnärztliche System gefährdet und eine weitere Zusammenarbeit mit ihr ausschließt, hat sich dieses Verhalten aber nicht verdichtet.

Dem Antrag war daher im Ergebnis stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 183 SGG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 Satz 2 des 6. SGG-ÄndG sowie § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 155 Abs. 1, 2, 162 Abs. 1 VwGO. Sie berücksichtigt, dass die Antragsteller ihren Antrag gegen den Antragsgegner zu 1) zurückgenommen haben und die Antragstellerin zu 2) unterlegen ist.