Ermittlungsverfahren

Einführung- Wenn der Staatsanwalt zweimal klingelt....

Am besten ist immer, man gerät erst gar nicht in diese Situation, in der ein Staatsanwalt klingelt. Daher erscheint es durchaus lohnenswert für den Arzt, sich bei der Auswahl seiner ständigen Berater schon alleine aus Vorsorgegründen nicht auf den Steuerberater und auf dessen Zusammenarbeit mit der Softwarefirma, oder gar nur auf die Softwareberater, oder schlimmstenfalls auf die Ehefrau zu beschränken. In dieser Konstellation fehlt der Arztrechtler, der insbesondere Fachanwalt für Medizinrecht sein sollte, um ein angesichts der formalen Strenge des Vertragsarztrechts einigermaßen effektives Controlling zu gewährleisten. Die Frage: "Darf ich das oder wie kann ichs denn besser machen ?" setzt allerdings bereits eine gewisse selbstkritische Unsicherheit des Arztes voraus, die in diesem Zusammenhang nie falsch sein kann, aber leider selten anzutreffen ist.

Wenns dann doch eintreten sollte, die Situation, sind folgende Überlegungen angebracht:

Mit der Einleitung eines Strafermittlungsverfahrens sollten alle bisherigen Beratungsverhältnisse des Arztes auf Distanz gehalten werden, denn es wird (zumindest im Wirtschaftstrafrecht) alles überprüft werden.

Als Verteidiger sollte kein vorberatender Rechtsanwalt gewählt werden,da auch dessen Beratung (zu Gunsten oder zu Lasten) durchleuchtet werden könnte.Erst Recht sollte kein Anwalt gewählt werden, der vorhergehend die Berufsausübungsgemeinschaft (alle Gesellschafter) beraten hat, auch hieraus können sich Kollisionen ergeben.
Allerdings sollte ein Verteidiger mit medizinstrafrechtlicher Erfahrung gewählt werden.
Dem Arzt sollte klar sein, bzw. es wird ihm und vielfach auch seinem bisherigen Berater klar gemacht werden müssen - dass mit der Einleitung eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens eine neue Situation eintritt. War z.B. die bisherige Abrechnungsroutine und ihre Prüfung durch die KV nur beschränkt erkenntnisgeeignet, so wird jetzt alles, was in der Vergangenheit an Minen gelegt wurde, überprüft, durchleuchtet und könnte "hochgehen".Es wird nicht mehr gefragt, ob die Abrechnung auch "wirtschaftlich" war, es wird jetzt geprüft, ob die einzelnen Leistungen tatsächlich so wie sie abgerechnet wurden, auch regelgerecht erbracht worden sind.
Diese Änderung der Prüfumstände und der Maßstäbe ist schwierig zu vermitteln, weiß sich der Arzt doch noch in "bester Gesellschaft" mit Kollegen, die das schon immer ebenso und erfolgreich und vollständig unbeanstandet machen. Oft wird ärztlicherseits hier die Frage der Strafbarkeit mit der des Entdeckungsrisikos oder mit der "Auffälligkeit" verwechselt.
Die Frage "Wie will man mir das nachweisen ?" ist oft ein untrüglicher Hinweis darauf, dass es hier bei näherer Prüfung doch wohl einiges zu entdecken gibt, was besser anders getan hätte werden sollen.

In der Medizin gilt der Satz: "Als gesund gilt der Patient, der nicht gründlich genug untersucht wurde", im Ermittlungsverfahren könnte gelten: "Als unschuldig bezeichnen wir den Arzt, bei dem nicht gründlich genug ermittelt wurde". Also: Es gibt kaum eine Abrechnung, bei der es nicht bei näherer Prüfung Beanstandungen, zumindest Fragen gibt. Diese zu beantworten, die Behandlungsbesonderheit zu erläutern, den "Korridor" der Abrechnungsregel auszulegen und anzuwenden, oder auch einfache Abrechnungsversehen und technische Fehler aufzuzeigen, ist Aufgabe des unabhängigen Strafverteidigers in Zusammenarbeit mit dem Fachanwalt für Medizinrecht. Insbesondere hier stellt sich letztlich die Frage, ob man sich zu Gunsten des Betroffenen kooperativ einlässt, oder den Betroffenen zum Schweigen veranlasst, um eine "konfrontative" Verteidigungsstrategie aufzubauen.
Oftmals ist es hilfreich, die Staatsanwaltschaft mittels der zumeist unbekannten Vorschriften und Regeln des Vertragsarztrechts zu davon zu überzeugen, dass kein Mensch, nicht einmal der klügste, berechnendste und schlaueste Arzt den Abrechnungsregelungsdschungel so durchschauen kann, dass sich keine Abrechnungsfehler einschleichen können. Auch das für Abrechnungsstreitigkeiten zuständige Sozialgericht kann ( im Klageverfahren gegen Regressbescheide) der Staatsanwaltschaft den Wind aus den Segeln nehmen.
Vgl. z.B.: Verfahren gegen Dr. Binz eingestellt

Einstellung wegen mangelnden Nachweises, § 170 Abs. 2 StPO

Wenn der Staatsanwalt zu der Überzeugung gelangt, dass der Sachverhalt ausreichend aufgeklärt ist (z.b. durch Beschlagnahme der Patientenakte, Zeugenaussagen und Beiziehung der übrigen Unterlagen des Patienten ( z.B. aus dem Krankenhaus), hat er zu prüfen, ob dem Beschuldigten die Tat (vor Gericht) nachzuweisen sein wird. Ist das nach seiner Auffassung nicht der Fall, wird das Verfahren eingestellt. Eine erfolgreiche Verteidigung wird bereits dort ansetzen, um im eingeleiteten Ermittlungsverfahren ausreichende ablaufs- und behandlungsbezogene Tatsachen vorzutragen, die die Ursächlichkeit für eingetretene Gesundheitsschäden bezweifeln lassen.

Der Beschuldigte erhält darüber eine Mitteilung, es sei denn, er hatte keine Kenntnis von dem Verfahren (was bei vorausgegangenen Beschlagnahme und Zeugenvernehmungen natürlich nicht der Fall ist).

So konnte Rechtsanwalt Hans-Peter Herrmann soeben eine Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO im Ermittlungsverfahren herbeiführen, weil ein ärztlicher Hausbesuch, der einen Tag später als geplant wegen einer Wundstelle am Bein durchgeführt wurde, nichts mit der Ursache für den 8 Wochen später eingetretenen Tod eines weit über 80-Jährigen Mannes zu tun hatte. Es war auch nicht ersichtlich, und völlig unwahrscheinlich, dass der Arzt bei 24 Stunden früherem Hausbesuch etwa schon Symptome der sich erst Wochen später fatal auswirkenden Krankheit erkannt hätte.

In einem anderen Fall liegen jedoch übergangene und nicht untersuchte Symptome (wiederkehrende Übelkeit) und der Tod der Patientin (durch Gallenentzündung und Sepsis) so nahe und inhaltlich untrennbar beieinander, dass (ausnahmsweise) Strafanzeige für die Angehörigen erstattet werden musste. Dort wurde jedoch das verfahren eingestellt, weil der Pathologe festgestellt hat, dass der Tod eingetreten sei, weil das Herz aufgehört habe zu schlagen. ... Honni soit qui mal y pense.

Ermittlungsverfahren gegen Leitstellenmitarbeiter des DRK eingestellt:
Eine Frau rief bei der DRK Rettungsleitstelle Ludwigsburg an, und berichtet Schmerzen in der Brust und Atemnot, sie brauche einen Notarzt. Fragen des Leiststellendiensthabenden beantwortet sie flüssig ohne Atmungsprobleme und buchstabiert noch ihren Namen.Keine Anzeichen für vitale Bedrohung. Der nach Sekunden alarmierte Rettungswagen mit zwei Rettungsassistenten trifft nach 10 Minuten ein, die Frau ärgert sich, dass kein Notarzt dabei ist.
Hieraus folgt Strafanzeige und Ermittlungsverfahren über 8 Monate bis zur Einstellung.
Der auf Grund der Beschwerde der Dame dann hinzugerufene Notarzt erklärte später, der Dame hätte ein schnelles Taxi viel mehr genutzt.

Kommentar des Verteidigers RA Herrmann:
Wenn alle Anforderungen erfüllt werden müssen, dann brauchen wir zehnmal mehr Notärzte.
Dennoch: Nicht zu unterschätzen: Das Damoklesschwert über den Rettungsberufen, die Garantenstellung ( StA Stuttgart, 03.06.2011)